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Pressemitteilung des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21
Stuttgart, den 14. April 2016
Stuttgart 21 in den Koalitionsverhandlungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wenn nach außen der Eindruck gepflegt wird, Stuttgart 21 sei keine großes Thema mehr, werden sich die künftigen Koalitionäre sehr bewußt sein, dass sie über die ganze Legislaturperiode hinweg die Probleme und Widersprüche des Projekts beschäftigen werden.
Daher hat die Abgeordneten der künftigen Regierungskoalition heute ein Schreiben des Aktionsbündnisses mit drei zentralen Anforderungen an ihre Stuttgart 21 – Politik erreicht, das wir Ihnen beilegen.
Der Problemreigen könnte in Kürze durch massive Nachforderungen der DB an das Land eröffnet werden. Die CDU scheint dem schon Rechnung tragen zu wollen, indem sie darauf drängt, den bisher gemeinsam vertretenen Kostendeckel nicht mehr in den Koalitionsvertrag aufzunehmen.
Bündnissprecher Dr. Eisenhart von Loeper hat sich, durch entsprechende Hinweise aufgeschreckt, heute Nachmittag per Mail an die Verhandlungsführer der CDU Thomas Strobl und Guido Wolf gewandt – s. ebenfalls Anlage.
Mit freundlichen Grüßen, Werner Sauerborn
Kontakt: Werner Sauerborn, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21
Aktionsbündnis gegen S21, www.kopfbahnhof-21.deAnhänge:
Offner Brief an die Koalitionsparteien (siehe auch unten)
http://www.parkschuetzer.de/assets/termine/2016/Aktionsbuendnis-an-Koalitionaere.pdfE-Mail an Thomas Strobl und Guido Wolf
http://www.parkschuetzer.de/assets/termine/2016/Mail-an-Strobl-Wolf-zu-Kostendeckel.pdf
---------------------------------------------------Offener Brief: Aktionsbündnis an Koalitionsparteien Grüne/CDU
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wenn das Thema Stuttgart 21 weder in Ihren Wahlprogrammen noch im Wahlkampf eine nennenswerte Rolle gespielt hat, dürfte Ihnen sicher bewusst sein, dass es Sie in den nächsten fünf Jahren häufig und heftig in Anspruch nehmen wird.
Angesichts Ihrer Festlegungen auf das Projekt ersparen wir uns und Ihnen den Versuch, Sie für den Umstieg auf eine modernisierte Kopfbahnhofvariante zu gewinnen, obwohl wir dies auch beim derzeitigen Entwicklungsstand des Projekts, ja unabhängig vom Baufortschritt, für den besseren Weg halten.
Wir appellieren aber an Sie, sich im Rahmen Ihrer Festlegungen den absehbaren Problemen ehrlich zu stellen und das zu tun, was jede dem Land verantwortliche Regierung tun muss.
Hier sehen wir drei zentrale Herausforderungen.Die Kostenfrage
Es gibt den überparteilichen Konsens eines Kostendeckels bei 4,5 Mrd. €, der Grundlage der Volksabstimmung von 2011 war und im letzten Koalitionsvertrag fixiert wurde:„Überschreiten die Kosten des Projektes Stuttgart 21, einschließlich der Kosten, die sich aus dem Stresstest und dem Schlichterspruch (inkl. Gäubahn, sofern diese infolge des Stresstests und/oder des Notfallkonzepts notwendig ist) ergeben, den vereinbarten Kostendeckel von 4,5 Mrd. Euro, so beteiligt sich das Land an den Mehrkosten nicht. Dies gilt auch für das Risiko später auftretender Kostensteigerungen über die bislang vereinbarten Beträge hinaus.“
Im Dezember 2012, also vor 3 1/2 Jahren, musste die DB AG einräumen, den Kostenrahmen erheblich überschritten zu haben. Wer die entstehenden Mehrkosten tragen soll, blieb bis heute ungeklärt.
Dass nach dreieinhalb Jahren bei all den Problemen des Projekts die Kosten die gleichen geblieben sein sollen, wird wohl niemand ernsthaft annehmen. Sie müssen nach Gutachten unsererseits (Vieregg-Rössler) und angesichts der bevorstehenden Veröffentlichung des lange zurück gehaltenen Berichts des Bundesrechnungshofs davon ausgehen, dass sie sich schon in den ersten Monaten ihrer gemeinsamen Regierungszeit mit einem weiteren Offenbarungseid der DB werden befassen müssen. Größenordnungen von 10 Mrd. € sind realistisch und sicher nicht das Ende der Fahnenstange.
Die DB, die absieht, das in nicht ferner Zukunft die ihr für Stuttgart 21 zur Verfügung stehenden Mittel (4,5 Mrd. €) erschöpft sein werden, wird bei ihren Projektpartnern auf eine Beteiligung an den Mehrkosten drängen. Absehbar - Stand Januar 2016 - geht es um eine Finanzierungslücke von 5,3 Mrd. €. Es dürfte allein bei diesem Kostenstand um Forderungen an das Land in Höhe von 1,5 bis 2 Mrd. € gehen.
Unser Appell daher:
- Drängen Sie durch Beauftragung bahnunabhängiger Gutachten auf eine Einschätzung des jetzigen Kostenstands und vor allem noch weiterer Kostensteigerungen.- Fixieren Sie Ihr Bekenntnis, dass das Land keine weiteren Kosten über die im Rahmen des Kostendeckels zugesagten hinaus bereit ist zu übernehmen, wie es im letzten Koalitionsvertrag festgelegt war.
Die Kapazitätsfrage
Alle Prognosen weisen auf eine Zunahme des Mobilitätsbedarfs hin. Das gilt insbesondere für eine florierende Stadt und Metropolregion. Die umweltverträgliche Bewältigung dieser Herausforderung in den nächsten Jahren ist eine Frage der Zukunftsfähigkeit für Bürger/innen und Wirtschaft.Das Straßenverkehrssystem stößt an Kapazitäts- und ökologische Grenzen (Staus, Feinstaub, drohende Fahrverbote). Aber auch die öffentlichen Verkehrssysteme können den wachsenden Bedarf kaum bewältigen, und haben erst recht nicht die Spielräume eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zu absorbieren.
In dieser Situation darf die Frage, wie sich Stuttgart 21 auf die Leistungsfähigkeit der Bahn selbst, aber auch der S-Bahn- und der ÖPNV-Angebote der SSB auswirkt, nicht länger offen bleiben. Ideologische Grabenkämpfe müssen zugunsten einer sachlichen Klärung der Kapazitätsfrage überwunden werden. Neuere Debatten über die Gäubahnnutzung oder das Belassen von Gleisen im Rosensteinquartier verweisen auf wachsendes Problembewusstsein in der Kapazitätsfrage.
Unser Appell daher:
- Setzen Sie alles daran, durch Beauftragung bahnunabhängiger Begutachtungen und Simulationen zu klären, ob der geplante Tiefbahnhof die versprochene Leistungssteigerung erbringt und einen integralen Taktfahrplan i.S. des „Deutschlandtakts“ ermöglicht, wie ihn der Koalitionsvertrag CDU/SPD in Berlin anstrebt, oder ob der Standpunkt der Gegner/innen des Projekts, dass S21 auf Generationen eine irreversible Kapazitätsverringerung bedeutet, nicht doch zu trifft.
- Organisieren Sie eine ergebnisoffene Debatte u?ber zu ziehende Schlussfolgerungen!
Die Sicherheitsfrage
Der Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger/innen bzw. Fahrgäste gehört nach der Wertordnung unseres Grundgesetzes zu den selbstverständlichen Verantwortlichkeiten der Politik, insbesondere bei einem Vieles verändernden Großprojekt wie Stuttgart 21. In der Frage des Brandschutzes bzw. der Entfluchtung sollen aber wichtige Einzelfragen bis zur Erteilung der Betriebsgenehmigung bei Fertigstellung unbeantwortet bleiben. Wohin es führt, solche entscheidenden Probleme des Brandschutzes erst am Projektende zu klären, lehrt das Beispiel des Berliner Großflughafens.Ein erhebliches Sicherheitsrisiko entsteht auch daraus, dass die reguläre Obergrenze der Neigung von Gleisen und Bahnsteigen im Tiefbahnhof um das Sechsfache überschritten werden soll. Nach der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung wäre dies nur beim „Nachweis gleicher Sicherheit“ zulässig. Wie die Bahn diesen Nachweis erbringen und wiederkehrende Unfälle – wie in Köln, dort bei wesentlich geringerem Gefälle - vermeiden will, liegt im Dunkel.
Sicherheitsfragen sind aus vielen aktuellen Anlässen auch im Licht terroristischer Bedrohungen zu sehen. Das gilt insbesondere fu?r ein Infrastrukturprojekt, bei dem gleichzeitig mehrere mit bis zu 1000 Fahrgästen besetzte Züge durch 60 km Tunnel in einem geschlossenen Tiefbahnhof einmünden. Der sogenannte westliche Lebensstil ist zweifellos verwundbar angesichts terroristischer Bedrohungen. Großprojekte, bei denen zentrale Sicherheitsfragen ungelöst sind, erhöhen jedoch die Verwundbarkeit, sie können geradezu wie eine Einladung an Terroristen wirken.
Unser Appell daher:
- Legen Sie die Gewährleistung der Sicherheit von Stuttgart 21 als gemeinsames Anliegen einer verantwortungsbewussten Begleitung des Projekts im Koalitionsvertrag fest
- Bestehen Sie auf einem umfassenden, keine ergebnisrelevanten Fragen aussparenden Brandschutz- und Entfluchtungskonzept JETZT.
- Bestehen sie als conditio sine qua non auf einem überzeugenden Nachweis gleicher Sicherheit bei überhöhter Gleisneigung. Auch dies jetzt und nicht, nachdem weitere Fakten geschaffen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher
Dr. Norbert Bongartz, Sprecher
Wichtige Dokumente
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